Schicksale Kärntner Sloweninnen im Zeitraum 1930-1950

Ingrid Kaiser-Kaplaner
"Schicksale Kärntner Sloweninnen im Zeitraum 1930 - 1950"
Eine sozialgeschichtliche Darstellung anhand erzählter Erinnerungen

Vorliegende Forschungsarbeit wurde von der Universität Klagenfurt - Forschungskommission - finanziell unterstützt.
Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Wien, des Kulturamtes der Kärntner Landesregierung, des Christlichen Kulturverbandes und der Kärntner Sparkasse.

  Vorwort von Univ.- Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl

 
Zu Beginn des Buches wird auf die Methodik der "Mündlichen Geschichte" und auf Fragen der historischen Frauenforschung eingegangen. Nach einem Überblick über die Quellen- und Literaturlage zur Studie folgt ein kurzer Einblick in die Geschichte der Slowenen in Kärnten, unter Einbindung der Sprachwissenschaft bzw. Namenforschung, unter Einbindung von Aussagen Kärntner Sloweninnen über die Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges, unter Einbindung von Fotografien (1909-1928).

Anhand der umfangreichen Literatur hierzu und Erkenntnissen der vergleichenden Mundartforschung wird auch die "Windischen-Theorie" und ihre Folgewirkungen durchleuchtet.
Es folgt die Situation der Kärnten Slowenen in der Zwischenkriegszeit mit der Germanisierungspolitik und ihren Strategien. "...Uns haben sie halt germanisieren wollen, daß wir ein bissl was gleichschaun..." Die Interviewten waren damals Kinder, junge Mädchen und Frauen. Sie blicken zurück und erzählen.
Bei allen nationalsozialistischen Repressionsmaßnahmen gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung Kärntens fügten sich die Kärntner Sloweninnen, "Ich weiß nicht, nichts habe ich gedacht. Wir haben müssen annehmen, was kommt..."

"Familie vor der Aussiedlung..."

die "Kvadnik-Mutter" beim Spinnen in Zell-Freibach (1920)

Die Zwangsaussiedlung 221 slowenischsprachiger Kärntner Bauernfamilien, die Zeit in deutschen Arbeits- und Konzentrationslagern, der Widerstand gegen den Faschismus und die Rückkehr der Ausgesiedelten nach 3-4 Jahren bildet mit Erlebnisberichten den Hauptteil des Buches.
Die Schilderungen der betroffenen interviewten Kärntner Sloweninnen, die nach 50 Jahren noch immer nicht emotionslos über jenen Gewaltakt der Aussiedlung am 14. und 15. April 1942 sprechen können, zeugen von der Ungeheuerlichkeit dieses Vergehens an diesen völlig unschuldigen Bauernfamilien mit 1075 Personen - darunter waren118 Kindern, die jünger als vier Jahre und 80 Personen, die älter als 60 Jahre alt waren.

"Es ist schwer, sich das vorzustellen - ist auch schwer es zu schildern. Und das Ungewisse und die Angst..."

Von einer Vergangenheitsbewältigung, einer Aufarbeitung der Vergangenheit, konnte bei fast allen der interviewten Frauen nichts bemerkt werden.
Auf den Höfen der vertriebenen Slowenen wurden Kanaltaler einquartiert. "Ich habe mich oft gefragt, was hat das eigentlich für einen Sinn gehabt, daß man uns Kanaltaler hierher gebracht hat. Wir waren ja auch halbe Slowenen. Im Kanaltal war ja genauso wie hier doppelsprachig, ja, dreisprachig..." meinte eine der interviewten kärntner Kanaltalerinnen.

Insgesamt befanden sich aus der Steiermark, dem deutsch besetzten Slowenien und Kärnten 32.976 Slowenen Ende Mai 1942 in Lagern im deutschen Alt-Reich. "Im Lager wurde uns immer gesagt, wir sollten uns nur gut verhalten, dann würden wir im Osten, in der Ukraine, ein Landwirtschaft bekommen. Und mit den Kindern müßten wir nur deutsch sprechen. Und wir müßten uns bewähren für den Sieg. Wir haben zugehört, aber jeder hat sich gedacht:, 'Was soll ich denn dort draußen in der Ukraine, wir haben dort nichts verloren, wo andere vertrieben worden sind!' Wir wollten ja zurück! Die Hoffnung hatten wir nie verloren, weil man doch auf Gerechtigkeit baut..."

Wie aus den Erzählungen der Kärntner Sloweninnen hervorgeht, wurde das Schicksal derer, die während der letzten Kriegsjahre im Widerstand gegen den Nationalsozialismus verhaftet und in Konzentrationslager gebracht worden waren, zur grausamen Tragödie. "Wir kommen nie nach Kärnten mehr. Nie."

Bild: Lise Henning

Bild: Lise Henning

In Kärnten setzte der organisierte bewaffnete Widerstand in vollem Maße nach der Aussiedlungsaktion ab Mitte April 1942 ein. Auszüge aus unzähligen Gesprächen sind im Kapitel "Widerstand der Kärntner Slowenen 1942-1945" festgehalten.

"Ein Sohn des Nachbarn war bei der deutschen Wehrmacht. Er kam auf Urlaub - seinen Vater hatten sie ins KZ geliefert. Da ist er nicht mehr zurück, sondern zu den Partisanen. Die Mutter und die Schwester haben es dann mit der Angst zu tun gekriegt und sind alle in den Wald. Und bei meinem Cousin war es das gleiche. Seine Mutter war schon in Ravensbrück..."
"Und ich habe gesehen - die Mutter überlebt das nicht. Und dann haben wir ausgemacht, daß ich die Schuld auf mich nehme, daß i c h den Partisanen das Essen gebracht habe, und die Mutter weiß von nichts...Und so haben sie mich eingesperrt - haben sie wenigstens die Mutter daheim gelassen...und dann war ich bis Kriegsende in Ravensbrück draußen, in Ostdeutschland im KZ-Lager, im Frauen-KZ, in der Jugendabteilung...Ich war halt nur mehr Haut und Knochen..."
"Und vom Berg - ich höre heute noch die Mutter, wie sie geweint hat und geschrien - über Wiesen und Felder haben sie uns getrieben hinunter ins Tal..."

In mehreren Interviews wurden junge Polinnen erwähnt, die aus der Ukraine vertrieben, auf Bahnhöfen in Kärnten als Arbeitskräfte "versteigert" worden waren. Auch sie kommen in diesem Buch zu Wort, erzählen - heute "Kärntnerinnen" - aus ihrem Leben.
Ein Großteil der vertriebenen Bauernfamilien kamen im Juli und August 1945 wieder nach Kärnten zurück.

"Wir sind da herunter über den Wald mit der Mama und dem Bruder und sie sagte, 'da sind wir zu Hause.' Der Stadel war zusammengefallen. So komisch hat alles ausgeschaut..."; damals war sie fünf Jahre alt.

Die nächsten Kapitel schildern die Lage der Kärntner Slowenen seit 1945, die Vergangenheitsbewältigung der interviewten Kärntner Sloweninnen, Erinnerungen an die Kindheit im Elternhaus, erlebtes Brauchtum der Kärntner Slowenen; "...von Generation zu Generation verschwindet das alles irgendwie... und ich kann auch nicht alles machen..."

 

Vorwort von Univ.- Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl


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