Gottscheer Frauenschicksale im 20.Jahrhundert

Ingrid Kaiser-Kaplaner
"Gottscheer Frauenschicksale im 20. Jahrhundert"
Eine sozialgeschichtliche Untersuchung Vertriebener anhand von Erzählungen Betroffener

Gedruckt mit Unterstützung der Universität für Bildungswissenschaften
Klagenfurt, in Klagenfurt und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien.

  Vorwort von a.o.Univ.-Prof. Dr. Michael Derndarsky

 
Einleitend wird auf Fragen der "Mündlichen Geschichte" und der "Historischen Frauenforschung" eingegangen. Es folgt ein historisch-ethnographischer Einblick in das einstige Gottscheerland mit seinen Menschen; der Naturraum des Gottscheerlandes wird aus geographischer Sicht beschrieben und ausführlich wird anhand von Mundartgedichten und Liedgut auf die eigentümliche, aus dem Mittelalter bewahrte Gottscheer Mundart eingegangen. Woher kommt der Name 'Gottschee'?

Im Hauptteil des Buches werden erzählte Erinnerungen und Berichte interviewter Gottscheerinnen aus Zeiten ihrer Kindheit, Jugend, Ehe und ihre Situation während der Zwischenkriegszeit wiedergegeben, beschrieben, hinterfragt und kritisch durchleuchtet: "Der ganze Ort war eine große Verwandtschaft, und unser Herr Pfarrer hat jede Familie gekannt - durch und durch..."

"Viel, viel Arbeit - schon von Kind auf...Wir waren eingespannt von der Früh bis spät am Abend, auch wenn wir noch so klein waren. Kessel richten, Plotschen holen und so Zeug, Küh melken, Schweinl futtern, ausmisten, Kalbln tränken und all das kleine Zeug. Zeitig in der Früh - und dann aufs Feld gehen, so klein wir waren, krampeln und alles mögliche machen... tagelang krampeln bei der prallen Hitze. Ja, da hat's nix geben..."

"Der Vater ging hausieren... Ja, das war für die Mutter dann ganz schwer, wenn der Vater weg war. Er war der einzige Mann für die schwere Arbeit - zum Mähen - das Anpflügen mit den Ochsen vorn - da haben wir Kinder eben müssen fest mithalten..."

"Der Papa war immer in Amerika...Viermal war er dort. Jedesmal, wenn er zurückgekommen ist, haben wir ihn nicht mehr erkannt. Zu Hause war ja keine Arbeitsmöglichkeit. Fast von jedem Haus ist jemand im Ausland gewesen..."

"Wenn ein Mädchen ein lediges Kind bekommen hat, die war arm, die haben sie verspottet... Zu jener Zeit zeigte man noch mit dem Finger auf ein solches Mädchen. Im Dorf hatte sie kein Leben mehr..."

"Wenn man abends so durch das Dorf ging, da wurde überall gespielt. Da war nichts gelernt, alles allein sich gelernt. Meine Großmutter hat Mundharmonika gespielt. Sie hat sich oft am Abend hingesetzt und hat Mundharmonika gespielt..."

"Wir fühlten uns einfach zum deutschen Volk hingezogen...Wer eigentlich Hitler war, das wußten wir gar nicht..."

"Ich weiß noch, wir haben in der Nacht Fahnen genäht, weil am nächsten Tag kommt der Deutsche - wird der Deutsche einmarschieren. Alles hat sich da bei uns aufgestellt, da bei uns beim Gasthaus an der Straße... und dann kommt der Italiener mit einem Auto angefahren. Wir haben schön dumm geschaut..."

"...das blonde Mädchen bin ich..."

Zahlreiche Fotografien aus der alten Heimat, Gedichte und Lieder in Gottscheer Mundart untermalen die Erlebnisberichte.

All die Tragik und Machtlosigkeit der "kleinen Leute" kommt in den Schilderungen über die letzten Stunden daheim im Gottscheerland, die Umsiedlung im Winter 1941/42, über die tragische Zeit im Ansiedlungsgebiet der Untersteiermark - fast parallel verlief die Zwangsaussiedlung der dort ansässigen slowenischen Bevölkerung - und über die Flucht von dort im Mai 1945 in herzbewegenden Erzählungen zum Ausdruck. Rund 75 % der interviewten Gottscheerinnen hatten während der Flucht Richtung österreichischer Grenze ihr Familienangehörigen aus den Augen verloren, etwa 15 % blieben für immer verschollen.

"Das Weggehen von daheim, kann ich mich erinnern, war sehr schwer. Wie der Vater dann den Schlüssel vom Haus ober der Haustür auf den Nagel hinaufgehängt hat, da war er sehr, sehr traurig. Das Vieh haben sie von den Ketten noch abgelöst, daß es dann noch frei aus dem Stall hinaus kann. Der Hund ist geblieben. Wir haben ja nur eine Kuh mitnehmen dürfen..."

"Ich hab oft zum Vater gesagt, wir sollen daheim bleiben...Der Vater hat gesagt, 'es geht nicht anders, Kind, wir müssen weg. Es geht nicht anders, Kind. Wir wollen ja selber nicht fort, aber es geht nicht anders'..."

"Ich sag Ihnen, bevor wir weggesiedelt sind von zu Haus, hat sich mein Vater hingestellt vor's Haus - da waren so Stiegen hinauf aufs Podesterl - und da hat er sich hingestellt mit der Ziehharmonika und hat gespielt. Unser Haus ist direkt neben der Straße gestanden, so ein gutes Einkehrhaus gewesen. Jetzt muß ich heulen auch noch..."

Gottscheerin in ihrer Tracht (etwa 1935)

"Und dann sind wir in die Untersteiermark gekommen. Da haben wir ja erst erfahren, da sind die Leute ausgesiedelt worden. Ganz brutal. In Rann am Bahnhof waren sie alle zusammengetrieben, die slowenischen Familien...Und die Frauen haben geweint. Für uns natürlich war's auch schwer. Wir haben mitgeweint mit den Leuten. Weil - bei uns hat's geheißen, wir gehen freiwillig, aber s o freiwillig sind wir auch wieder nicht gegangen, wer geht gern weg von seinem Haus! Und die Slowenen sind zwangsweise ausgesiedelt worden...wir haben gesagt ' wir können ja nichts dafür'..."

"Da waren noch Slowenen dort, wie wir hingekommen sind. Es war sehr, sehr arg. In dem ersten Haus, wo die Eltern dann angesiedelt worden sind, waren die Betten noch warm, wo sie die Leute mit den Lastwägen weggeführt haben. Einen Lastwagen haben wir noch gesehen, wie sie die Leute hinaufgeschmissen haben, und wie er niedergekniet ist und gebeten hat, sie sollen ihn daheim lassen und sie fügen sich dem Deutschen Reich, dem deutschen Gesetz, sie möchten nur daheim bleiben. Und sie haben bitterlich geweint. Da haben sie sie gepackt und hinaufgeschmissen auf die Lastwägen und weggebracht. Da haben wir erst das ganze Schicksal erlebt..."

"Das kann man sich alles nicht vorstellen, wie es war. Das kann nicht einmal der wiedergeben, der es erlebt hat. Nicht einmal der kann es in Worte kleiden..."

Die folgenden Kapitel des Buches schildern die Nachkriegszeit, "es muß weitergehen - und arbeitswillig waren wir überall...". Auch nach Amerika ausgewanderte Gottscheerinnen erzählen aus ihrem Leben; "Ich hab so Heimweh gehabt. Ich hab geweint, bis ich eingeschlafen bin und mit Tränen aufgewacht. Ein furchtbares Gefühl. Eine schreckliche Krankheit. Man kann nichts machen..."

'Ich hab' keinen schmutzigen Schuh zu putzen gehabt - nur staubige - keine Erde herauszukratzen, wie's daheim war - da hab' ich Heimweh bekommen..."

Abschließend wird die heutige Ortsgemeinde Kocevje - ein Großteil des einstigen Gottscheer Heimatgebietes - anhand eines Interviews mit ihrem derzeitigen Bürgermeister beschrieben.

Vorwort von a.o.Univ.-Prof. Dr. Michael Derndarsky

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