Tschechen und Deutsche in Böhmen und Mähren 1920 - 1946; Dargestellt anhand erzählter Erinnerungen, Chroniken und Literatur

Ingrid Kaiser-Kaplaner
Tschechen und Deutsche in Böhmen und Mähren 1920 - 1946
Dargestellt anhand erzählter Erinnerungen, Chroniken und Literatur

Mit einem Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Willibald I. Holzer

Lektoriert von Mag. Josef Pichler
2002, Verlag Hermagoras / Mohorjeva zahložba, Klagenfurt/Celovec –
Ljubljana/Laibach – Wien/Dunaj Studia Carinthiaca, Band XXI
Gesamtherstellung: Hermagoras/Mohorjeva, Klagenfurt/Celovec
Gedruckt mit Unterstützung des Amtes der Kärntner Landesregierung,
Abteilung 5-Kultur und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft
und Kultur in Wien
267 Seiten, ISBN 3-85013-898-4

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INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Willibald Ingo Holzer 7
Einleitung 17
Zur Methode der „Mündlichen Geschichte"
Zur Quellen- und Literaturlage
17
17
Die Bezeichnung „Sudetendeutsche" 19
Geschichte Böhmens und Mährens im Überblick bis 1920 21
Naturraum und Besiedlung 21
Hussitenkriege im 15. Jahrhundert 31
„Nationales Erwachen„ im 19. Jahrhundert 34
Städte und Industrie 39
Dorfleben 53
Heilbäder 67
In Böhmen und Mähren geborene Persönlichkeiten - als Auswahl 70
Böhmen und Mähren im Zeitraum 1920 bis 1946 79
Die Zwischenkriegszeit 79
Tschechen erinnern sich und erzählen 90
Tschechischer und deutscher Widerstand gegen das Nazi-Regime.. 108
Erinnerungen Sudetendeutscher an die Zeit während der
Wehrmacht
116
Vergeltungsmaßnahmen in Lidice und Ležáky 125
"Tschechen waren unsere Freunde" 129
Die Deportation der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat 141
Betroffene erzählen 141
Als Entwurzelte in der Fremde 169
Zu Besuch in der alten Heimat 189
Berichte von heute 189
Erinnerungen an gestern 196
Nachwort 213
Literatur 214
Anhang 222
Aus dem Tagebuch eines Pfarrers während der Zeit vom 16. April 1945
bis zum 5. August 1946, dem Tag seiner Aussiedlung nach Österreich
222
Lebenserinnerungen eines Znaimers (Klagenfurt 1989 254
Die Ahnentafel Ptack 262
 
Univ.-Prof. Dr. Willibald I. Holzer beginnt sein neun Seiten umfassendes Vorwort – das vorliegendem Buch nach Ansicht der Autorin einen besonderen Wert verleit – folgend:

"Tiefgehende Versehrungen, seien sie nun individualer oder kollektiver Natur, haben - wie wir alle nicht zuletzt aufgrund eigenen Erlebens wissen - in der Regel eine lange Vorgeschichte. Nicht selten sind sie kumulative Folge von Verletzungen, die sich die Konfliktpartner, wie ungleich gewichtet im einzelnen auch immer, im Verlaufe ihrer gemeinsamen Geschichte wechselseitig zugefügt haben. Ufern solche Auseinandersetzungen in Bemühungen aus, die elementaren Lebensgrundlagen des jeweils anderen essentiell zu beschädigen oder gar dauerhaft zu zerstören, bleibt die Chance, zu Formen rationalen Miteinander-Umgehens zurückzufinden, zumeist über viele Jahre, im Falle exzessiver Konfliktausformungen häufig über mehrere Generationen hinweg verschüttet. Der deutsch-tschechische Beziehungskonflikt, auf dessen katastrophale Peripetie Ingrid Kaiser-Kaplaners Buch fokussiert, darf als nachgerade klassisches Paradigma für diese Form langläufig strukturierter Konfliktkonfiguration gelten. Seine historischen Voraussetzungen haben sich im Laufe von einem halben Jahrtausend entwickelt und die betroffenen Gesellschaften im einzelnen gewiß unterschiedlich, vergleichsweise aber doch umfassend geprägt.

sudetendeutsches siedlungsgebietWo immer deutsche Siedler, zunächst meist als Kolonisten insonderheit in hohem Mittelalter und früher Neuzeit zugewandert, in Ost- und Südosteuropa auf nichtdeutsche Bevölkerung trafen, entwickelten sie, nicht zuletzt kraft struktureller ökonomischer Suprematie, alsbald auch Tendenzen zu kultureller Hegemonie, die früher oder später zu sozialen und polititschen Spannungen zwischen ihnen und den autochthon siedelnden Ethnien führen mußten. Im Falle Böhmens waren es namentlich die Hussitenkriege, in deren Verlauf die historisch bereits vielfältig präfigurierten Proßesmuster ethnischer Distanzierung zwischen Tschechen und Deutschen vertieft und Formen protonationalistischen Konfliktaustrags ausgebildet wurden. Über den reformatorischen Anliegen, die sich zuerst als Kritik an der Katholischen Kirche artikulierten, forcierten die Hussiten alsbald sozial- und nationalrevolutionäre Ambitionen, die auf egalitäre Umgestaltung der Sozial- und Wirtschaftsverfassung zielten, die ökonomische, politische und kulturelle Hegemonie des böhmischen Deutschtums in Frage stellen und die umfassende Emanzipation der tschechischsprachigen Bevölkerung einforderten. Auch wenn der radikale Egalitarismus namentlich der Taboriten letztendes die Unterstützung des Adels kostete und die militärische Niederlage beschleunigen sollte, waren damit trag- und integrationsfähige Zentren tschechischer Selbstwahrnehmung in Abgrenzung vom Deutschen-Stereotyp formuliert, die weite Teile der tschechischen Bevölkerung zu einen vermochten. Denn als nationalemanzipatorischer spielte dieser Konflikt in etwa zeitgleich auch an der Karls-Universität in Prag, die sich bislang als exklusiv deutsch dominierte verstanden hatte.

Über die Merkmale reformatorisch, antifeudal, egalitär-demokratisch und national-emanzipatorisch entwickelte sich in der Folge, in kontrastiver Abgrenzung von den Deutschen, das Selbstbild der Tschechen, und namentlich der – wie im einzelnen auch immer verschliffene – Bezug auf den Hussitismus ist bis heute ein wichtiges Fundierungselement tschechischer Identität geblieben. Die Brachialität schließlich, in der Ferdinand II. nach der Schlacht am Weißen Berge (1620) Böhmen mit Gegenreformation überzog, den Widerstand der Andersgläubigen brach und das Königreich Böhmen Habsburgs absolutistischen Herrschaftsinteressen unterwarf, haben die Konturen dieser Art Selbst- bzw. fremdwahrnehmung qualitativ verschärft. Aus tschechischer Sicht konnten die Gegenreformation und ihre politischen Kontrastprofile gesehen werden: Landfremde Herren, meist gut katholische Romanen oder Deutsche, erwarben nunmehr in Böhmen und Mähren die konfiszierten Güter zurvor geflohener oder vertriebener tschechischer Adelsfamilien, die ‚Verneuerte Landesordnung’ degradierte das historisch gewichtige Böhmen und seine Nebenländer seit 1627 zu einem Erbkönigreich des Hauses Habsburg, die Einflußnahme des böhmischen Landtages wurde auf Finanzangelegenheiten beschränkt, die böhmische Hofkanzlei gar nach Wien verlegt, der Geltungsbereich der deutschen Sprache zu Lasten des Tschechischen signifikant ausgeweitet. (....)."

Ländlicher Hausbau (Quelle: Sudetendeutsches Jahrbuch 1938)

"Neben dem politikgeschichtlichen Zentralthema behandelt Kaiser-Kaplaners Buch viele volkskundlich bedeutsame Bereiche mittlerweile untergegangener sudetendeutscher Lebenswelten. Mit beachtlicher Emotionalität und außergewöhnlicher Liebe zum Detail informiert die Autorin insbesondere über kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte sudeten-deutschen Alltagslebens. Der thematische Bogen umspannt materielle wie inmaterielle Facetten von Formen des Arbeitens wie Feierns: Erreicht von den ideellen Grundlagen sudetendeutscher Festtagskultur über die materielle Basis vorzugsweise bäuerlich-dörflichen, aber auch bürgerlich-urbanen Alltagslebens bis hin zum Nachdruck alter sudetendeutscher Rezepte, die vor allem die Archaik inzwischen aufgegebener Ernährungsgewohnheiten spiegeln, sich aber nicht unbedingt zum Nachkochen empfehlen.

Der Breite des analytischen Blickwinkels entspricht die Vielfalt der zu Rate gezogenen Quellen. Die Autorin schöpft aus dem Nachlaß Geflohener resp. Vertriebener, aus Familienchroniken, aus wissenschaftlicher Literatur, vor allem aber aus sudetendeutschen Publikationen der Nachkriegszeit – die freilich zuallererst Auskunft über die Spezifik kollektiver, vergleichsweise isoliert entwickelter sudetendeutscher Geschichtsschau geben – sowie aus Interviews, die mit gebürtigen Sudetendeutschen geführt worden sind. Erlebnisberichte tschechischer Zeitzeugen, ins Deutsche übersetzt, komplettieren die vielgestaltige Quellengrundlage. Namentlich die zumeist breit dokumentierten Interviews belegen einmal mehr, wie tief sich die individualen, sozialen und materiellen Folgen der wechselseitigen Zufügungen und Verheerungen in das kollektive Gedächtnis der Betroffenen beider Nationen eingegraben haben. Die Neigung freilich, den Beitrag der je eigenen Gruppe an der Verschärfung des Konflikts im chronologischen Kontext der Eskalationsgenese zu reflektieren, ist generell signifikant schwächer ausgebildet, ein weithin nach nationalen Erinnerungskulturen fragmentiertes Geschichtsbild die unausweichliche Folge. (...)".
Das Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Willibald I. Holzer endet mit den Worten: "Mit Ingrid Kaiser-Kaplaners nunmehr veröffentlichter Studie liegt ein wichtiger Beitrag zur so schwierigen historischen Verständigung von Deutschen, Tschechen und Österreichern vor.
Klagenfurt, im Mai 2002."

Höchste Erhebung der Westsudeten ist die Schneekoppe (1603m) im Riesengebirge

Im Nachwort bedankt sich die Autorin u. a. bei allen, die ihr aus ihrem Leben erzählt haben. "Mein Anliegen und Bemühen war es, nicht nur sudetendeutsche, sondern auch tschechische Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen. Hier bin ich Herrn Prof. Milan Vit, Klagenfurt, für seine diesbezüglichen Vermittlungen und Übersetzungen sehr zu Dank verpflichtet. Frau PhDr. Jaroslava Cajovà, Prag, und Herrn PhDr. Pavel Machácek, Prag, sage ich Dank für ihr Interesse an meiner Arbeit, für wichtige Literaturhinweise und den freundlichen Schriftverkehr mit ihnen.
Bei Frau Mag. Alena Lesnjak, Klagenfurt, bedanke ich mich sehr herzlich für die mühsame und einfühlende Übersetzung biographischer Texte aus dem Tschechischen ins Deutsche.
Frau Gerda Dreier, Vorsitzende der Volksdeutschen Landsmannschaften und Obfrau der Sudetendeutschen Landsmannschaft Klagenfurt, Frau Dolores Thiel, Obfrau der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Sektion Villach, Herrn Ernst Katzer, Obmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Sektion St. Veit und Herrn Herwig Griehsler, St. Pölten, danke ich für die Vermittlung aus der Heimat vertriebener Sudetendeutscher und für aufschlussreiche Literaturhinweise.

Ich widme dieses Buch dem Andenken meines Grossvaters mütterlicherseits Karl Ferdinand Leopold Ptack."

Kirche und Schule in Friedland (Quelle: Privatalbum, Villach)


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