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Ingrid Kaiser-Kaplaner
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Univ.-Prof. Dr. Willibald I. Holzer
beginnt sein neun Seiten umfassendes Vorwort das vorliegendem Buch nach
Ansicht der Autorin einen besonderen Wert verleit folgend: "Tiefgehende Versehrungen, seien sie nun individualer oder kollektiver Natur, haben - wie wir alle nicht zuletzt aufgrund eigenen Erlebens wissen - in der Regel eine lange Vorgeschichte. Nicht selten sind sie kumulative Folge von Verletzungen, die sich die Konfliktpartner, wie ungleich gewichtet im einzelnen auch immer, im Verlaufe ihrer gemeinsamen Geschichte wechselseitig zugefügt haben. Ufern solche Auseinandersetzungen in Bemühungen aus, die elementaren Lebensgrundlagen des jeweils anderen essentiell zu beschädigen oder gar dauerhaft zu zerstören, bleibt die Chance, zu Formen rationalen Miteinander-Umgehens zurückzufinden, zumeist über viele Jahre, im Falle exzessiver Konfliktausformungen häufig über mehrere Generationen hinweg verschüttet. Der deutsch-tschechische Beziehungskonflikt, auf dessen katastrophale Peripetie Ingrid Kaiser-Kaplaners Buch fokussiert, darf als nachgerade klassisches Paradigma für diese Form langläufig strukturierter Konfliktkonfiguration gelten. Seine historischen Voraussetzungen haben sich im Laufe von einem halben Jahrtausend entwickelt und die betroffenen Gesellschaften im einzelnen gewiß unterschiedlich, vergleichsweise aber doch umfassend geprägt.
Über die Merkmale reformatorisch, antifeudal, egalitär-demokratisch und national-emanzipatorisch entwickelte sich in der Folge, in kontrastiver Abgrenzung von den Deutschen, das Selbstbild der Tschechen, und namentlich der wie im einzelnen auch immer verschliffene Bezug auf den Hussitismus ist bis heute ein wichtiges Fundierungselement tschechischer Identität geblieben. Die Brachialität schließlich, in der Ferdinand II. nach der Schlacht am Weißen Berge (1620) Böhmen mit Gegenreformation überzog, den Widerstand der Andersgläubigen brach und das Königreich Böhmen Habsburgs absolutistischen Herrschaftsinteressen unterwarf, haben die Konturen dieser Art Selbst- bzw. fremdwahrnehmung qualitativ verschärft. Aus tschechischer Sicht konnten die Gegenreformation und ihre politischen Kontrastprofile gesehen werden: Landfremde Herren, meist gut katholische Romanen oder Deutsche, erwarben nunmehr in Böhmen und Mähren die konfiszierten Güter zurvor geflohener oder vertriebener tschechischer Adelsfamilien, die Verneuerte Landesordnung degradierte das historisch gewichtige Böhmen und seine Nebenländer seit 1627 zu einem Erbkönigreich des Hauses Habsburg, die Einflußnahme des böhmischen Landtages wurde auf Finanzangelegenheiten beschränkt, die böhmische Hofkanzlei gar nach Wien verlegt, der Geltungsbereich der deutschen Sprache zu Lasten des Tschechischen signifikant ausgeweitet. (....)." "Neben dem politikgeschichtlichen Zentralthema behandelt Kaiser-Kaplaners Buch viele volkskundlich bedeutsame Bereiche mittlerweile untergegangener sudetendeutscher Lebenswelten. Mit beachtlicher Emotionalität und außergewöhnlicher Liebe zum Detail informiert die Autorin insbesondere über kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte sudeten-deutschen Alltagslebens. Der thematische Bogen umspannt materielle wie inmaterielle Facetten von Formen des Arbeitens wie Feierns: Erreicht von den ideellen Grundlagen sudetendeutscher Festtagskultur über die materielle Basis vorzugsweise bäuerlich-dörflichen, aber auch bürgerlich-urbanen Alltagslebens bis hin zum Nachdruck alter sudetendeutscher Rezepte, die vor allem die Archaik inzwischen aufgegebener Ernährungsgewohnheiten spiegeln, sich aber nicht unbedingt zum Nachkochen empfehlen. Der Breite des analytischen
Blickwinkels entspricht die Vielfalt der zu Rate gezogenen Quellen. Die Autorin schöpft
aus dem Nachlaß Geflohener resp. Vertriebener, aus Familienchroniken, aus
wissenschaftlicher Literatur, vor allem aber aus sudetendeutschen Publikationen der
Nachkriegszeit die freilich zuallererst Auskunft über die Spezifik kollektiver,
vergleichsweise isoliert entwickelter sudetendeutscher Geschichtsschau geben sowie
aus Interviews, die mit gebürtigen Sudetendeutschen geführt worden sind.
Erlebnisberichte tschechischer Zeitzeugen, ins Deutsche übersetzt, komplettieren die
vielgestaltige Quellengrundlage. Namentlich die zumeist breit dokumentierten Interviews
belegen einmal mehr, wie tief sich die individualen, sozialen und materiellen Folgen der
wechselseitigen Zufügungen und Verheerungen in das kollektive Gedächtnis der Betroffenen
beider Nationen eingegraben haben. Die Neigung freilich, den Beitrag der je eigenen Gruppe
an der Verschärfung des Konflikts im chronologischen Kontext der Eskalationsgenese zu
reflektieren, ist generell signifikant schwächer ausgebildet, ein weithin nach nationalen
Erinnerungskulturen fragmentiertes Geschichtsbild die unausweichliche Folge. (...)". Im Nachwort bedankt sich
die Autorin u. a. bei allen, die ihr aus ihrem Leben erzählt haben. "Mein Anliegen
und Bemühen war es, nicht nur sudetendeutsche, sondern auch tschechische Zeitzeugen zu
Wort kommen zu lassen. Hier bin ich Herrn Prof. Milan Vit, Klagenfurt, für seine
diesbezüglichen Vermittlungen und Übersetzungen sehr zu Dank verpflichtet. Frau PhDr.
Jaroslava Cajovà, Prag, und Herrn PhDr. Pavel Machácek, Prag, sage ich Dank für ihr
Interesse an meiner Arbeit, für wichtige Literaturhinweise und den freundlichen
Schriftverkehr mit ihnen. Ich widme dieses Buch dem Andenken meines Grossvaters mütterlicherseits Karl Ferdinand Leopold Ptack." |
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