Stimmt es, dass es im Mittelalter zwei
Ehen gab, die Muntehe und die Friedelehe?
Was ist der Unterschied?
Magdalena Happenhofer, 3b
In der Tat gab es im Mittelalter verschiedene Eheformen, wobei sich die so genannte Muntehe schon im Verlauf des frühen Mittelalters durchgesetzt hat. Ursprünglich war die Trauung im Abendland ein feierlicher, öffentlicher und weltlicher Akt, der aus zwei zivilrechtlichen Formalitäten bestand, dem wechselseitigen Eheversprechen und der eigentlichen Heiratszeremonie. Seit dem 4. Jahrhundert hat sich dann zuerst im Osten der Brauch durchgesetzt, die Eheschließung von einem Priester segnen zu lassen. Im Westen wurde die priesterliche Segensspendung erst viel später zu einem festen Bestandteil der Verehelichung. Einer der Hauptgründe dafür war wohl das Bestreben der Kirchenmänner, die sprichwörtliche sexuelle Freizügigkeit ihrer Zeitgenossen zu zügeln. Um aus der Ehe eine religiöse Institution zu machen, erweiterten Kirchentheoretiker sukzessive den Kreis von Regeln und Riten, und vom Ende des 11. Jahrhunderts an entwickelte sich eine Hochzeitsliturgie, durch die das Wesentliche eines Rituals, das vorher häuslich und weltlich gewesen war, in die Kirche und vor deren Portal verlagert wurde. Eine einheitliche Eheliturgie und ein einheitliches Trauungs-zeremoniell, wie wir das heute kennen, hat es aber im Mittelalter nicht gegeben.
Ursprünglich war die Eheschließung also ausschließlich ein weltlicher Vorgang, der die Versippung zweier Familien zum Ziel hatte. Daher war deren Einverständnis Voraussetzung. Mit der Heirat ging "die Frau" aus der Munt der Eltern und deren Sippe in die Munt des Ehemannes und seiner Sippe über, wobei Munt sowohl Schutz als auch Herrschaft und zwar im ursprünglichen Sinne des Wortes bedeutet. Man kann aus heutiger Sicht auch durchaus behaupten, dass "die Frau" mit der Eheschließung ihren "Besitzer" wechselte. Bis heute hat sich der Begriff Munt im Wort "Vormund", dem gesetzlichen Vertreter eines oder einer Minderjährigen, erhalten. Wir können die Beziehung zwischen Männern und Frauen durchaus als "Geschlechtsvormundschaft" bezeichnen. Erst im Lauf der Zeit begann die Kirche die Einwilligung der Braut zu fordern. Aber bis die Ehe allein zwischen Mann und Frau geschlossen wurde, wie wir es als selbstverständlich voraussetzen, sollten noch Jahrhunderte vergehen. Ehen wurden noch lange von den Familien gestiftet und entsprachen vor allem dem Willen der Sippen und weniger dem der Verehelichten. Heiraten wurden fast immer von den Vätern der Familien (oder den Männern in väterlicher Position) aus wirtschaftlichen, politischen und sozialen Überlegungen vereinbart. Denn die mittelalterliche Gesellschaft ist eine von Männern geprägte. Wir sprechen in dem Zusammenhang von einer patriarchalischen Familienstruktur. Die Kinder, Jungen wie Mädchen, hatten keinen Einfluss darauf. Liebe im Sinne einer auf gegenseitiger Achtung und Gleichheit beruhenden Zuneigung spielte dabei, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Dem widersprach schon die weitgehende Unterwerfung der Frau unter den Mann in allen europäischen Rechtsordnungen des gesamten Mittelalters. Das Postulat, dass die Frau ein schwaches Wesen sei, das sich dem Manne notwendigerweise zu unterwerfen habe, weil es aufgrund seiner Natur pervers sei, dass das Weib dazu geschaffen wäre, dem Manne in der Ehe zu dienen und dass dieser die legitime Macht habe, sich seiner zu bedienen, wurde nicht nur von Moraltheologen immer wieder betont.
Die Muntehe vollzog sich in festen Formen: der Brautwerbung folgten die Verlobung, die schon bindenden Charakter hatte, und die Hochzeit. Zuvor hatte der Bräutigam die Brautgabe (Wittum, dos) zu hinterlegen, zuerst an die Brautsippe, später zumindest zum Teil als "Witwenversorgung" an die Braut selbst. Die Höhe richtete sich nach dem Vermögen des Bräutigams. Beim Hochadel waren Summen um 1000 Pfund (= ca. 240 kg Silber) durchaus üblich. Auf die Trauung, in deren Zentrum das durch Zeugen bestätigte Jawort stand, und deren lateinische Bezeichnung traditio, Übergabe, den eigentlichen Inhalt der Zeremonie ebenso deutlich wiedergibt wie der symbolträchtige Brauch, dass der Gatte seinen Fuß auf den seiner Angetrauten stellte, folgte die feierliche Heimführung der Braut in das Gattenhaus und die Beschreitung des Ehebettes vor Verwandten, die öffentliche Defloration. Denn nach manchen Theorien galt die Ehe erst nach dem Vollzug des ersten Beischlafs als geschlossen. Nach der Hochzeitsnacht und der hoffentlich erfolgten Befruchtung erhielt die Jungvermählte eine Belohnung in Form der Morgengabe, die allerdings im Laufe des Mittelalters mit der Brautgabe verschmolz. Hinzu kam, regional verschieden, der priesterliche Segen, den vor allem die Braut wohl auch gut brauchen konnte. Denn oft wurden Frauen schon in jungen Jahren aus der häuslichen Welt herausgerissen, in der sie von Frauen behütet aufgewachsen waren, und einem Fremden übergeben, den sie noch nie zuvor gesehen hatten. Nur allzu oft schlug dann beim Geschlechtsverkehr das Begehren in Hass um, was neben der Impotenz zahlreicher Männer zu etlichen anderen Ehetragödien führte. Anspielungen darauf sind in der zeitgenössischen Literatur zahlreich.
Neben der Muntehe gab es im früheren Mittelalter auch noch die so genannte Friedelehe, die auf der Willensübereinkunft von Mann und Frau beruhte. Die Friedel-ehe war, wie schon der althochdeutsche Name sagt (friudila = Geliebte, Freundin), eher eine Liebesehe. Sie wurde ohne Trauung und Brautgabe, wohl aber mit Morgengabe, vollzogen und war gleichfalls öffentlich. Die Vormundschaft über die Frau und ihre Kinder blieb bei ihrer Sippe. Der Mann konnte, wenn es sein Vermögen zuließ, neben der eigentlichen Ehefrau mehrere Friedelfrauen haben, für Frauen jedoch gab es, so viel wir wissen, diese Möglichkeit nicht. Die Friedelehe, die eigentlich der Polygamie des frühmittelalterlichen Adels diente, wurde von der Kirche in zunehmendem Maß verurteilt und mündete letztlich ins Konkubinat, in die ehelose Lebensgemeinschaft, ein, was die Rechtlosigkeit der Nebenfrauen nach sich zog. Ehe-ähnliche Verhältnisse zwischen einem Adeligen oder Freien und einer Unfreien galten im Frühmittelalter weder als Ehe noch als Ehebruch, da den germanischen Volksrechten zufolge Ehen außerhalb des eigenen Standes untersagt waren. Dennoch wurden Kinder aus solchen Beziehungen von den Vätern akzeptiert und versorgt. Bischof Regino von Prüm forderte im 10. Jahrhundert, dass ein verheirateter Mann, der eine Magd beschlafen hatte und dies beichtete, ein Jahr Buße tun sollte, während für die Magd 40 Tage ausreichten, sofern sie dem Beischlaf nicht zugestimmt hatte. Freie Frauen hingegen, die sich mit Knechten einließen, sollten mit dem Tode bestraft werden.
Wie sahen die Städter die
Landbevölkerung?
Galt sie ihnen als rückständig?
Yvonne Mayerhofer, 6e
Die mittelalterliche Kultur ist eine Bauernkultur, und der Städter kommt vom Land, oder zumindest haben seine Eltern oder Großeltern noch auf dem Land gelebt. Und viele der Stadtbewohner haben nach ihrer Übersiedelung in eine Stadt die bäuerliche Lebensweise weitgehend beibehalten. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, überwiegen in den schriftlichen Quellen zum Bauerntum die negativen Äußerungen. Von den Bauern selbst verfasste Zeugnisse gibt es ja nicht.
Schon im Frühmittelalter, lange vor dem Wiedererwachen der Städte, treten uns manchmal abschätzige Aussagen zum Bauerntum entgegen. Die Bauern werden als lasterhaft, gefährlich und ungebildet geschildert, und sie sollen dem Tier näher stehen als dem Menschen. In der städtischen Literatur des hohen und späten Mittelalters aber sind sie schon rein äußerlich zu erkennen: sie sind grobschlächtig, dumpf, ungewaschen und rüde. Gerne lachen die Städter über den Bauerntölpel der Possenspiele, der ihnen so grenzenlos rückständig und dumm erscheint. Die angestrebten Standesgrenzen werden ins Äußerliche übertragen, die Bauern mit voller Absicht verunglimpft. Andererseits wird der städtischen Überheblichkeit die Bauernschläue gegenübergestellt, die immer wieder über Anmaßungen von arroganten, selbstgefälligen Städtern triumphiert. Solche Literaturzitate sind natürlich kein Abbild der alltäglichen Beziehungen zwischen Stadt und Land, aber sie geben uns einen Einblick in die sozialen Spannungen und angestrebten Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen. Und eines ist klar. Die großen Veränderungen in allen Lebensbereichen vollziehen sich zuallererst in den aufstrebenden städtischen Wirtschaftszentren und nicht auf dem Land. Zivilisatorischer "Fortschritt", "Erneuerung", "Kultur", "Bildung", sind Begriffe, die mit der Stadt in Verbindung zu bringen sind, nicht mit dem Land. Sie sind aber nur möglich, weil das Bauerntum die Voraussetzungen dafür liefert. Im "wirklichen" Leben sind Stadt und Land so wie heute untrennbar miteinander verbunden und wirtschaftlich wie gesellschaftlich aufeinander angewiesen.
Was waren die Ursachen für das Entstehen
von Städten im Mittelalter?
Nina Steurer, 6e
Die europäische Stadt des Mittelalters hat viele
Wurzeln. Häufig gelten Bischofssitze als ihr eigentlicher Ursprung. Gewöhnlich stand der
mittelalterliche Dom am Ort der spätantiken Bischofskirche am Stadtrand. Die Domburg wie
die von Köln wird zum Zentrum der neuen Siedlung, die an der Peripherie der antiken Stadt
entsteht. All diese Städte bauen auf dem Fundament einer antiken Siedlung auf. Auch
Wallfahrtskirchen und Klöster, die ursprünglich an abgelegenen Orten fern jeglicher
Zivilisation gegründet worden waren, werden Ausgangspunkte für gewerbliche Siedlungen,
die sich zu Städten entwickeln. Salzburg wäre hierfür ein gutes Beispiel. Ähnlich
verhält es sich bei Herrensitzen, Burgen und Pfalzen. So steht die Hammaburg am Anfang
Hamburgs. Auch Märkte können städtebildend werden, ebenso verkehrsgünstige Plätze im
Küstenbereich mit ihren Häfen, Kreuzungen wichtiger Handelswege, Furten oder Brücken
über Flüsse als Schnittpunkte von Wasser- und Landstraßen. Klagenfurt wäre ein
Beispiel für eine Siedlung, die an einer Furt (über die Glan beim heutigen
Landeskrankenhaus) entstanden ist. Bei Villach mündete die salzburgische Tauernstraße in
die Verbindung Venedigs mit dem Donauraum, und eine Brücke über die Drau wird schon 878
erwähnt. Flüsse sind im Mittelalter vielbefahrene Handelswege, da die Überlandstraßen
meist nur 2 - 3 m breit sind, ungepflastert, höchstens teilweise mit Kies oder Schotter
aufgeschüttet und daher nach Regen aufgeweicht, nur schwer begeh- und kaum befahrbar.
Straßen- und Brückenreparaturen blieben dem Zufall überlassen und erschwerten das
Reisen zusätzlich. Daher kann es nicht verwundern, dass viele Städte an Flüssen
entstanden sind. Das Zusammentreffen mehrerer günstiger Voraussetzungen war entscheidend
für das Werden einer mittelalterlichen Stadt.
Das Entstehen und der Ausbau der Städte erfolgte meist mit Förderung durch den
Stadtherrn, der die wirtschaftliche aber auch politische Bedeutung der Stadt erkannte und
sich diese zunutze machen wollte. Zwischen dem ausgehenden 11. und der Mitte des 13.
Jahrhunderts erfolgte ein wahrer Gründungsboom. Lokatoren steckten mit Messseilen und
Pflöcken das Gelände ab und schufen neue Stadtanlagen, die durch einen planmäßigen
Grundriss zu erkennen sind. Häufiger aber war schon eine Siedlung vorhanden, die nun zum
Teil neu angelegt oder verlegt oder nur erweitert wurde. Die mittelalterliche Stadt ist
eine Großbaustelle. Überall wird gebaut, umgebaut, erneuert. Die Unterscheidung von
"Altstadt" und "Neustadt" geht auf diese Zeit zurück. Andere
Siedlungen blieben unverändert und wurden nur zu Städten erklärt. Das
mitteleuropäische Städtenetz verdichtete sich in dieser Zeit von 200 auf 1500 Kommunen.
Hat es im Mittelalter ein Randgruppen und
Minderheitenproblem gegeben?
Nadine Fischer, 3b
Wir sollten zwischen Randgruppen und Minderheiten unterscheiden. Es waren zwar alle Randgruppen Minderheiten, aber nicht alle Minderheiten waren Randgruppen. So wird es kaum jemandem einfallen, den Hochadel im Herzogtum Kärnten oder die Priesterschaft in einer mittelalterlichen Stadt als Randgruppe zu bezeichnen. Der Begriff "Minderheit" ist mehrdeutig. Zum einen verstehen wir darunter rein quantitativ eine Bevölkerungsgruppe, deren Größe geringer ist als ein von der Mehrheit der Bevölkerung bzw. deren Vertretern festgelegter Wert. Zum anderen meint "Minderheit" heute auch eine kleine Gruppe, die besonderen Schutz genießen muß, um bestehen zu können. Und zum dritten schließt dieser Begriff auch jene Gruppen mit ein, die von der Mehrheit oder deren Vertretern ausgegrenzt werden, die so genannten Randgruppen der Gesellschaft. Das sind für gewöhnlich jene Menschen, die gesellschaftlichen Ächtungs- und Entehrungsformen ausgesetzt sind.
Im Mittelalter hat es den Begriff "Randgruppe" noch nicht gegeben, aber die Ausgrenzungsformen, die uns auch heute geläufig sind, waren schon damals wohlbekannt. Vor allem im Spätmittelalter lassen sich besonders in den Städten Randgruppen feststellen. Einige Berufe wie Bettler oder Prostituierte, die bis ins 13./14. Jahrhundert noch in die Gesellschaft integriert waren, wurden zunehmend an deren Rand gedrückt, einzelne Außenseiter, die es schon immer und in jeder Gesellschaft gegeben hatte, wurden zu Gruppen zusammengefasst. Die Majorität begann, auf "Anderssein" oder das Nichteinhalten können auferlegter Normen mit einem System von Ausgrenzungsmaßnahmen zu reagieren.
Welche Arten von Randgruppen hat es
gegeben?
Nadine Fischer, 3b
Bernd-Ulrich Hergemöller, ein Kenner der
Thematik, ordnet die mittelalterlichen Randgruppen vier großen Bereichen zu und nennt:
- Die Unehrlichen, womit er die ehrlosen Berufe meint, all jene Gewerbezweige,
denen die Anerkennung als Zunft oder als ehrlicher Berufsstand aus unterschiedlichen
Gründen versagt geblieben ist, auch wenn sie für das Sozialleben der mittelalterlichen
Städte unverzichtbar waren. Dazu sind z.B. die Henker und ihre Gesellen zu zählen, die
Totengräber, die Schinder (= Tierabhäuter und -einscharrer), die Abdecker (=
Tierkadaververwerter) und die Hundefänger. Ferner zählen zu den unehrlichen Berufen all
jene, die mit Schmutz und Gestank zu tun hatten, so die Kloakenreiniger, die Gassenkehrer,
die Kamin- und Rauchfeger und all jene Berufe, die von vorne herein mit Ehrlosigkeit
assoziiert wurden wie die Bader mit ihren Knechten und Mägden, die Barbiere,
herumziehende Heilkünstler und nichtakademische Chirurgen, Spielleute und Artisten aller
Art sowie die Prostituierten;
- Die körperlich "Andersartigen", all jene Menschen, die sich durch
körperliche und/oder geistige Auffälligkeit von ihrer Umwelt abhoben, all die Blinden
und Lahmen, die Krüppel und Narren, aber auch unheilbar Kranke wie die Aussätzigen, die
durch ein behördlich geregeltes Ritual von der Mehrheitsbevölkerung ausgeschlossen
wurden;
- Ethnisch-religiöse Gruppen wie Juden und die im 15. Jahrhundert in Europa auftauchenden
Zigeuner;
- Die Dämonisierten, all jene, von denen angenommen wurde, sie seien mit dem Teufel im
Bunde. Dazu zählen neben den Hexen und Sektierern auch die Sodomiter, wie Homosexuelle
damals genannt wurden.
Wie stand es damals um die
Homosexualität?
Maria Verdianz, 6e
Natürlich hat es auch im Mittelalter so wie zu allen Zeiten Homosexualität gegeben, und wenn wir den verschiedenen Nachrichten zu diesem Thema glauben wollen, war sie vor allem im Hoch- und Spätmittelalter bei den Rittern und Städtern ziemlich verbreitet. Stichhaltige Zahlenangaben gibt es allerdings nicht. Auch waren die Homosexuellen keine organisierte Gruppe, wie es heute vielfach der Fall ist, und sie haben sich für gewöhnlich auch nicht geoutet. Sie zählen daher eigentlich solange nicht zu den Randgruppen und Außenseitern, bis ihre Veranlagung von der Umwelt entdeckt wurde. Dann jedoch setzten - allerdings erst im Spätmittelalter - die üblichen Ausgrenzungsmechanismen in voller Schärfe ein, sie wurden als Verbrecher angesehen und verurteilt. Die Einstellung zur Sodomie - es wurde rechtlich nicht zwischen gleichgeschlechtlicher Liebe und Unzucht mit Tieren unterschieden - war im Mittelalter höchst unterschiedlich und reichte von bedingter Toleranz im Frühmittelalter bis hin zur vollständigen Ablehnung, Kriminalisierung und Verdammung am Ende der Epoche. Immer aber galt die gleichgeschlechtliche Liebe der Kirche als schwere Sünde.
Die frühmittelalterlichen Bußbücher, von den Priestern bei der Beichte verwendete Zusammenstellungen von Sünden mit Angabe der jeweiligen Buße, sind noch weit davon entfernt, die Todesstrafe für Homosexuelle zu fordern. Den Sündern werden Kirchenbußen auferlegt, die vom Fasten über öffentliches Bußestehen, Abstinenz und Wallfahrten bis hin zum Ausschluss von den Sakramenten und bei Priestern von geistlichen Handlungen reichen. Im geistigen Klima der emporkommenden Stadtkultur mit all ihren Neuerungen in den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und besonders auch religiösen Bereichen wurde die unterschwellig vorhandene Ablehnung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten geschürt, vor allem von Bettelmönchen, besonders den Dominikanern und Franziskanern. Die Einstellung zur Sodomie änderte sich in dieser Zeit ausgeprägter Sexualunterdrückung grundlegend. Der Dominikanerprofessor Paul von Ungarn (t 1242) z.B. behauptete, die Sintflut sei Folge der Sodomie, eine Argumentation, die offenbar zeitlos ist. Noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde von manchen Moraltheologen Aids als Folge des liederlichen Lebenswandels vieler Menschen und Strafe Gottes betrachtet. Thomas von Aquin wiederum galt Homosexualität als die schlimmste aller Unzuchtsünden. Bei der nun zunehmenden Verfolgung der Homosexuellen arbeiteten ganz im Gegensatz zur ansonsten strikt getrennten geistlichen und weltlichen Rechtsprechung Kirche und städtische Obrigkeit eng zusammen. Bedeutende italienische Städte, die im Laufe des 13. Jahrhunderts die Selbstverwaltung durchgesetzt hatten, wie Siena, Bologna oder Florenz, begannen, Gesetze gegen Sodomie zu erlassen, viele andere folgten. Nun wurde sie den todeswürdigen Verbrechen zugeordnet. Anonyme Anzeigen und übel beleumundete Zeugen wurden zugelassen, die Verteidigungsmöglichkeiten der Beschuldigten eingeschränkt, die Folter angewendet.
Die Sodomieanklage entwickelte sich auch zunehmend zu einem Mittel obrigkeitlicher Sozialdisziplinierung, die jeden Mann jedes Standes treffen konnte. Sie war aber auch - ähnlich den Hexereibeschuldigungen - eine Möglichkeit, persönliche Hass- und Rachegelüste im engen Nachbarschaftskreis, manchmal sogar innerhalb der eigenen Familie, abzubauen. Erst das bedrohliche Zusammenwirken von akademischen Theologen und Juristen, von geistlichen und weltlichen Obrigkeiten unter breiter gesellschaftlicher Mitwirkung war die Grundlage der Verfolgung von Homosexuellen im Spätmittelalter.
Warum waren die Juden so verhasst?
Wo waren sie überhaupt willkommen?
Terese Kasalicky, 3b
Die Juden, die ab dem 8. Jahrhundert aus Italien kommend im deutschen Raum siedelten, sind ein Sonderfall innerhalb der mittelalterlichen Randgruppenproblematik, denn ihr Anderssein beginnt schon bei ihrer Herkunft, sie werden nicht aufgrund irgendwelcher Besonderheiten oder Verfehlungen zu Außenseitern der Gesellschaft gestempelt, sondern sie werden bereits in die Randgruppe hineingeboren. Sie haben von sich aus in eigenen Bezirken gewohnt, und sie haben bewusst eine Gegenkultur zu der sie umgebenden christlichen entwickelt. Im Zentrum des jüdischen Weltbildes stand seit jeher die Vision von einer noch zu erlösenden Welt. Damit bestand von vorne herein der Gegensatz zur christlichen Lehrmeinung, wonach die Welt von Christus bereits erlöst worden wäre. Dieses religiöse Anderssein machte die Juden zu einem Fremdkörper in der Gesellschaft. Sie selbst entwickelten ein ausgeprägtes religiöses Sendungsbewusstsein und ein starkes Zusammengehörigkeits- und Abgrenzungsgefühl und fühlten sich als Fremde in der sie umgebenden christlichen Gesellschaft. Bewusst sonderten sie sich von ihrer Umwelt zumindest zu kultischen Zwecken ab, und stets wurde von ihnen Israel als einzig wahre Heimat empfunden. Ihre Sabbat- und Reinheitsgebote zwangen sie dazu, eine eigene Gemeinde mit der Synagoge als Zentrum innerhalb der Städte zu bilden. Zunächst hatte dieses Vorgehen keine negativen Folgen, aber gegen Ende des Mittelalters wurden aus den Judenvierteln Ghettos mit allen für das Judentum nachteiligen Auswirkungen. Jetzt durften sie nicht nur, sondern sie mussten von anderen separiert in eigenen, meist heruntergekommenen Vierteln leben, ausgegrenzt, verachtet, verhasst. Das Wort Ghetto stammt einer weitverbreiteten Ansicht zufolge von einem Stadtviertel Venedigs, in dem ursprünglich Waffenschmiede wohnten, und wo 1516 auch alle Juden von Venedig angesiedelt wurden. Einer anderen, ebenfalls schlüssigen Auslegung zufolge, kommt das Wort von der Bezeichnung "Schiffsanlegeplatz, Molo" im Hafen von Genua, wo die auswandernden Juden von der Iberischen Halbinsel auf ihre Verschiffung in die islamischen Teile der damaligen Welt warteten.
Gehört zu dieser Gruppe auch das
"Fahrende Volk"?
Stimmt es, dass sich diese Leute nicht länger als drei Tage in einer Stadt aufhalten
durften?
Magdalena Happenhofer, 3b
Eigentlich ist es umgekehrt, denn für gewöhnlich werden die Bettler und Landstreicher der Gruppe der "Fahrenden" zugezählt. Das "Fahrende Volk" ist ein buntes, vielschichtiges Völkchen. Dazu gehörten Spielleute, Schausteller, Gaukler, Wanderdirnen, Tierbändiger, Taschenspieler, Akrobaten und Hausierer ebenso wie Wandergesellen, Messerschleifer, Ärzte und Chirurgen, Lehrmeister und verschiedene andere Berufe, die ihren Kundenkreis weitverstreut hatten und daher ständig auf Achse waren. Hinzu kamen ab dem 15. Jahrhundert auch die Zigeuner (Sinti und Roma). Die Gemeinsamkeiten all dieser verschiedenen Berufsgruppen und unterschiedlichen Menschen sind der Mangel eines festen Wohnsitzes, das ständige Reisen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten und Gefahren. Denn Reisen war im Mittelalter ein Abenteuer. Die Landstraßen und Wege, die niemand instandhielt, führten quer durch die europäische Wildnis, durch finstere Wälder mit all ihren Gefahren. Jederzeit konnten Räuber oder Mörder aus dem Dickicht hervorbrechen, die keinen Unterschied zwischen reich und arm machten, und den "Fahrenden" buchstäblich das letzte Hemd vom Leibe reißen und ihnen aus Lust am Töten das Leben nehmen. Denn oft besaßen die "Fahrenden Leute" nur das, was sie am Leibe trugen. Brücken waren weggerissen, Furten überschwemmt, Straßen im Morast versunken, durch Baumstürze und Erdrutsche gesperrt oder sonst wie unpassierbar geworden. Schmutz und Ungeziefer waren ständige Begleiter, ebenso der Hunger. Alles Verdaubare wurde verschlungen, weder Obst und Gemüse, noch das Klein- und Federvieh der Bauern und städtischen Händler war vor ihnen sicher. Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass "Fahrende" verrufen waren und man ihnen nicht traute. Schon seit der Zeit der Kirchenväter in der Spätantike waren sie getadelt und immer wieder vom Abendmahl ausgeschlossen worden. Auch ist ihnen vor allem wegen ihrer Unstetigkeit in der weltlichen Rechtsprechung häufig die Rechtsfähigkeit abgesprochen worden. Im Spätmittelalter wird vor allem durch die Zunahme an herumstreunenden Bettlern und das neuartige Phänomen der herumziehenden Söldner die Belastung zur unerträglichen Plage. Das sesshafte Volk reagiert mit Angst auf das Anderssein der Unbehausten, mit Spott und Verachtung, die Obrigkeiten mit Verordnungen, die den "Fahrenden" den letzten Rest an Menschenwürde nehmen und sie zum Abschaum der Gesellschaft stempeln.
Gab es im Mittelalter eine hohe
Arbeitslosigkeit?
Lena Dermutz, 6e
Der Anteil der Knechte und Mägde in den Städten des Spätmittelalters betrug je nach industrieller und gewerblicher Entwicklung bis zu 25% der Gesamtbevölkerung. Oft nur für einige Monate gedungen, der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgesetzt, lebten die Knechte und die noch wesentlich schlechter entlohnten Mägde am und unter dem Existenzminimum und hausten in Mietwohnungen, gemieteten Zimmern, oder sie teilten sich auch nur einen Schlafplatz mit mehreren anderen armen Schluckern. In Hungerzeiten, die stets mit großen Teuerungen insbesondere auch der Grundnahrungsmittel verbunden waren, war auch die Arbeitslosigkeit sehr groß. Die uns bekannten sozialen Mechanismen wie Sozialversicherung, Arbeitslosen- oder Notstandsgeld gab es noch nicht und auch kein anders geartetes soziales Netz, das die Notleidenden aufgefangen hätte. Sie waren schutzlos dem Elend ausgesetzt. Manchmal versuchten sie, ihre Arbeitskraft nur gegen geringe Verpflegung zu verkaufen, trotzdem gab ihnen oft und oft niemand Arbeit. Wenn etwa im Nürnberger Baugewerbe vereinbart wird, den Lohn an die Tagelöhner schon vormittags auszubezahlen, hat dies den triftigen Grund darin, dass sie ihren Frauen den Lohn für den Brei oder die Suppe schnell nach Hause bringen konnten. Die Situation in den mittelalterlichen Städten ist durchaus der in den Großstädten unserer so genannten Dritten Welt vergleichbar.
Warum gehörten vielen Kirchenmännern
Hurenhäuser, noch dazu, wo Hurerei als große Sünde galt?
Maria Verdianz, 6e
Das ist ein Thema, das erst im
Spätmittelalter aktuell wird, denn lange war die einzige Prostituierte das "fahrende
Fräulein", die Wanderdirne, eine heimatlose Frau, die gemeinsam mit
"Fahrenden" durch die Lande zog, sich überall einfand, wo etwas los war, von
Dorffesten bis hin zu Hoftagen des Adels, und ihren Körper anbot. Sie gehörte zur
Öffentlichkeit und musste ihrem Beruf nicht im Heimlichen nachgehen. Ihre soziale
Stellung richtete sich nach dem Alter und dem Vermögen der Frau. Arme Dirnen und vor
allem alte waren stets dem Spott der Menge ausgesetzt. Im Spätmittelalter vollzieht sich
die Wende. Die Zünfte beginnen, die Ehrbarkeit der Frauen ihrer Mitglieder zu fordern,
parallel dazu fangen die Obrigkeiten an, die Prostituierten zu organisieren. Dazu gehört
die Einführung von Bordellen und die Ansiedlung aller Prostituierten in bestimmten
Stadtbezirken. Gleichzeitig wurde das Tragen bestimmter Kleidungs- und Schmuckstücke den
gemeinen Frauen untersagt, schließlich Erkennungszeichen für sie verordnet: rote Kappen
in Zürich, gelbe Zeichen am Schuh in Meran, grüne Streifen am Schleier in Augsburg, ein
farbiges Band am Kragen in Toulouse, anderswo wiederum waren Schleier oder Mantel in
bestimmten Farben vorgeschrieben. Dadurch verringerten sich die
Integrationsmöglichkeiten, die Dirnen wurden zunehmend an den Rand der Gesellschaft
gedrückt. Überall sind die Grundlagen der städtischen Verordnungen gleich und reichen
von Beschränkung bis Kennzeichnung. Ähnlich genau wurde auch der Betrieb in den
Bordellen geregelt mit der Absicht, die Dirnen räumlich zu konzentrieren und unter
Aufsicht zu halten. Damit wurden sie nach und
nach aus der Gesellschaft verdrängt. Warum auch Kirchenmännern Frauenhäuser, wie die
Bordelle damals genannt wurden, gehörten, ist leicht beantwortet. Sie waren auch schon im
Mittelalter eine höchst einträgliche Einnahmequelle. Natürlich darf man das
mittelalterliche Frauenhaus in keiner Weise mit den heutigen Frauenhäusern vergleichen,
wo Frauen, die von ihren Männern misshandelt worden sind, Zuflucht, Schutz und Betreuung
finden.
Die Auffassung, Hurerei sei eine schwere Sünde, wurde nicht von allen Kirchenmännern
geteilt. In der Be(Ver)urteilung der Prostitution gab es große zeitliche und räumliche
Unterschiede. Die Amtskirche folgte der Meinung Augustinus', der die Prostituierten als geringeres Übel sah:
Was könnte man anführen, das schändlicher ist als Dirnen. Aber entferne die Dirnen aus
der menschlichen Gesellschaft: du wirst alles durch die sexuellen Leidenschaften
durcheinander bringen. Innerhalb der Kirche gab es aber auch Richtungen, die diese, dem
praktischen Nutzen dienende Auffassung nicht teilten und Dirnen entweder als
Teufelsdienerinnen verfluchten oder wohlwollend tolerierten, wobei die kirchlichen
Frauenhausbetreiber wohl zur zweiten Gruppe zu zählen sind. Es gab auch nicht viele
davon, meistens wurden diese Häuser wie auch andere private vom jeweiligen Stadtrat
verwaltet, der das Frauenhaus an einen Frauenwirt oder eine Frauenwirtin
weiterverpachtete. Die Kirchenmänner waren dann an den Einnahmen beteiligt. Oftmals wurde
auch verordnet, dass Frauenhäuser nicht in der unmittelbaren Umgebung von Kirchen,
Klöstern und Friedhöfen errichtet werden dürften, und Klerikern war der Besuch des
Frauenhauses ohnehin unter Strafandrohung verboten. Was
die männliche Prostitution anlangt, waren sich aber alle einig. Sie galt als Todsünde
und todeswürdiges Verbrechen.
Die Insassinnen eines Frauenhauses wurden auch nicht oft als "Huren" beschimpft,
und "Dirne" hat noch keinen abwertenden Nebensinn. Die häufigsten Bezeichnungen
waren "gemeine, arme, freie Frauen (Töchter)" oder "Hübscherinnen".
Frauenhäuser selbst sind relativ spät und zuerst in den Städten aufgekommen. Bald gab
es in fast jeder Stadt mindestens ein Frauenhaus. Diese Etablissements sind der Versuch
der städtischen Obrigkeiten, die Prostitution durch Legalisierung zu kontrollieren und
die Frauen in die städtische Gesellschaft einzugliedern, denn die gemeinen Frauen waren
unentbehrlich in einem Gesellschaftssystem, das Eheschließungen
verordnete und auf Jungfräulichkeit ausgerichtet war. Für viele Männer war aus
wirtschaftlichen Gründen erst eine späte Heirat möglich, wobei ohnehin nur etwa ein Drittel von ihnen eine Familie
gründen konnten. Immer wieder wird in den Quellen daher die Angst vor Vergewaltigungen
geäußert.
Haben Frauen im Mittelalter verhütet
und/oder abgetrieben?
Franziska Liehl, 6e
Weder das Alte Testament noch das Neue kennen ein
ausdrückliches Verbot der Empfängnisverhütung. Die theologische Lehre ihres strikten
Verbots entstand im Frühchristentum in Auseinandersetzung mit und Abgrenzung gegen
außerkirchliche Strömungen, die entweder den Geschlechtsverkehr ablehnten oder ihn
vergötterten. Das Verbot beruhte darauf, dass eheliche Beziehungen im Sinne Augustinus'
nur bei Zeugungsabsicht gestattet waren, außerehelicher Geschlechtsverkehr wurde
abgelehnt. Bezüglich der Sanktionen gegen die Empfängnisverhütung wurde zwischen der
Verhütung bei ehelichem und außerehelichem Verkehr unterschieden, auch wurden die
angewendeten Methoden und die Formen der Sexualität (genital - nichtgenital)
unterschiedlich gewertet. So wird z.B. die Einnahme empfängnisverhütender Mittel der
Zauberei gleichgestellt, während verhütende Sexualpraktiken als widernatürlich
verurteilt werden. Die tatsächliche Bedeutung von Empfängnisverhütung für die
mittelalterliche Gesellschaft kann nur schwer erschlossen werden, da Geburtstatistiken,
Taufbücher oder Bevölkerungslisten vor dem 16. Jahrhundert weitgehend fehlen.
Anscheinend wurde Armut als Milderungsgrund betrachtet. Da die überwiegende Mehrheit der
Bevölkerung dieser Schichte zuzuzählen ist und kirchliche Empfängnisverhütungsverbote
das gesamte Mittelalter über häufig wiederholt wurden, können wir davon ausgehen, dass
aktive Empfängnisverhütung alltäglich war. Und nicht nur bei den Armen, denn wenn es
sich bei der Minne nicht nur um literarische Fiktion, sondern vielleicht bisweilen um
tatsächliche Sexualbeziehungen gehandelt hat, werden auch Adelige alleine des
Selbstschutzes wegen verhütet haben. Kenntnisse der Bevölkerung zu diesem Zweck sind
nicht überliefert, aber die Ärzte empfahlen Tampons, Pessare und Arzneien, die
allerdings seitens der Kirche als Zaubermittel galten und uns heute einigermaßen
absonderlich erscheinen. Nur ein Beispiel: Damit eine Frau nicht empfängt, entferne man
einem lebenden Wiesel die Hoden und lasse das Tier wieder laufen, wickle sie in eine
Eselshaut und binde diese der Frau um, so wird sie nicht schwanger, heißt es in einer
Handschrift aus dem neunten Jahrhundert. Praktiken, die während des Geschlechtsverkehrs
ein Eindringen des Samens in das Ei verhinderten, wurden von den Medizinern als Verstoß
gegen die Natur betrachtet und daher abgelehnt.
Die Abtreibung war im Mittelalter offenbar selten und galt immer als Mord, wenn sie nach
dem 40. Schwangerschaftstag erfolgte. Trotzdem werden in medizinischen Büchern etliche
Rezepte und Methoden zum Hervorrufen der Menstruation und zur Abtreibung genannt. Häufig
werden diesbezüglich Haselwurz, Petersilie, Fenchel- und Selleriesamen, Sade und Raute
erwähnt. Besonders im Samen der beiden letzten Pflanzen sind ätherische Öle enthalten,
die bei hoher Konzentration ein Abgehen des Fötus herbeiführen.
Stimmt es, dass unerwünschte Kinder umgebracht
wurden, weil Verhütung und
Abtreibung verboten waren? Wie ist man damit umgegangen?
Isabella Ess, 6e
Es stimmt, dass Kinder, insbesondere außerehelich geborene oder missgebildete Neugeborene von Kindesaussetzung oder Kindestötung bedroht waren, vor allem Kinder aus armen Verhältnissen, deren Eltern nicht wussten, wie sie ihre Familie ernähren sollten. Das Märchen von Hänsel und Gretel erinnert an solch traurige Umstände. Als Vorbild könnte eine Nachricht aus dem Kloster Fulda zum Jahr 850 gedient haben. Da heißt es: In diesen Tagen zog auch einer mit seinem Weib und einem kleinen Sohn nach Thüringen, um das Elend seiner Not zu lindern, und unterwegs im Wald sagte er zu seinem Weib: "Wäre es nicht besser, diesen Knaben zu töten und sein Fleisch zu essen, als dass wir alle vor Hunger umkämen?" Als sie aber widersprach, riss er gewaltsam den Sohn aus den Armen der Mutter, und er hätte seinen Willen in die Tat umgesetzt, wäre ihm nicht Gott in seiner Erbarmnis zuvorgekommen. Ob der Autor hier nur die Hungerszeit um 850 drastisch beschreiben wollte, oder ob ihm die Geschichte tatsächlich so oder ähnlich erzählt wurde, die er dann aufzeichnete, wissen wir nicht. Fest steht aber, dass im heidnischen germanischen Recht das Recht zur Tötung des Neugeborenen enthalten ist. In späterer Folge wurde es auf verwaiste Kinder eingeschränkt. Im beginnenden christlichen Mittelalter verbot nur die kirchliche Gesetzgebung die Kindestötung. Allerdings hatte sie damals noch recht wenig Einfluss auf die Gesellschaft. Z.B. wurde das "unbeabsichtigte" Ersticken der Kinder im Schlaf in den Bußbüchern und verschiedenen kirchlichen Erlassen mit Strafe bedroht. Andererseits gab es das ganze Mittelalter hindurch Prediger, die das Töten missgebildeter Kinder forderten, weil diese eine Brut des Satans seien, wie man ja unschwer an ihrem verunstalteten Äußeren erkennen könne. In der weltlichen Gesetzgebung tauchen Strafen erst Jahrhunderte später, im Spätmittelalter, auf. Nun wurden Kindesmörderinnen mit der Todesstrafe bedroht. Aber noch im 17. Jahrhundert werden in Kärnten Frauen, deren Kinder im Wochenbett auf unerklärliche Art und Weise umgekommen waren, zur Teilnahme am Vierbergelauf und zum Beten von Rosenkränzen verurteilt. Der Umgang mit solchen Fällen war sicher ganz anders als heute, weil die Einstellung zu Leben und Tod anders war - ständig waren die Menschen von Sterben und Tod umgeben - und weil auch die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern ganz andere waren. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Gefühle, die wir heute haben, von Menschen zu allen Zeiten in ähnlichen Situationen ähnlich empfunden worden wären.
Nahmen "normale" Ärzte auch
Schwangerschaftsabbrüche vor?
Wer waren die "Engelmacherinnen"?
Barbara Steiner, 6e
Dass ein Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen worden wäre, ist auszuschließen, da Abtreibung als schändlicher Mord und damit als Todsünde galt. Außerdem gibt es den berufsmäßigen Arzt erst relativ spät. Im Frühmittelalter dominiert die Klostermedizin. Der Berufsstand des Arztes entwickelt sich eigentlich erst mit der Einrichtung medizinischer Studien an den hochmittelalterlichen Universitäten mit den Zentren Salerno, Bologna und Montpellier. Die Ärzte praktizierten vor allem bei Hofe und in den Städten. Auf dem Land waren vorwiegend Heilerinnen und Heiler tätig, die immer wieder der Hexerei bezichtigt wurden. Bis in die Neuzeit hinein war Geburtshilfe ausschließlich Frauen vorbehalten. Dass Männer - akademische Ärzte - Gebärenden Beistand leisteten, war unvorstellbar.
"Engelmacherinnen" waren Frauen, die den Schwangeren abtreibende Mittel verabreichten und daher der Kirche als Kindsmörderinnen und Hexen galten. Sie verhalfen den Ungeborenen sozusagen auf schnellstem Wege, Engel zu werden, daher die sarkastische Bezeichnung. Oft waren es frei praktizierende Hebammen auf dem Lande, die dadurch den gesamten "Berufsstand" in Verruf brachten. Nicht von ungefähr sind Hebammen im ausgehenden Mittelalter und der Frühen Neuzeit, als die Hexenverfolgung ausuferte und zum "Hexenwahn" wurde, von solchen Nachstellungen besonders betroffen.