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Re: Komponieren mit dem Computer???


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Geschrieben von Harald Schollmeyer on August 19, 1999 at 18:47:56:

Als Antwort auf : Komponieren mit dem Computer??? geschrieben von theo on August 19, 1999 at 12:24:51:

Hallo Theo,

> Paul McCartney habe eine Symphonie mit dem Computer geschrieben.

Das ist natürlich so verkürzt weder aussagekräftig noch sinnvoll - ehrlich gesagt würde ich so eine
Aussage gemeinhin unter die Kategorie "Blödsinn" fallen lassen. Was sagt das aus? Daß Paul einen
Computer im Produktionsprozeß seiner Symphonie benutzt hat. Und? Nirgendwo steht, ob der Computer
ihm ein paar musikalische Inhalte (Rhythmen, Tonhöhen, Themen, Motive, Instrumentationen, Formabläufe)
geliefert hat oder ob er einen Computer nur zum Notenschreiben für ein konventionelles Orchester,
vielleicht zur Aufnahme oder zur Gehaltsabrechnung mit dem Orchesterbüro verwendet hat.
Du hast einen Einsatzbereich des Computers in der Musikproduktion in deiner Vermutung konkretisiert,
ein Computer könne eingegeben Noten abspielen. Daß das funktioniert, hast du ja an deinem erwähnten
MIDI-File festgestellt - bis auf die schlechte Qualität. Dazu folgendes:

(1) Klangqualität ist etwas äußerst subjektives. Der gleiche Streichersound in einer sinfonischen Umgebung
und innerhalb eines Pop-Songs abgemischt kann deutlicher realistischer oder unrealistischer wirken. Zudem
ist die Klangqualität bei hochwertigen - und damit teuren - Klangerzeugern heutzutage ausgesprochen gut.
Mit genügend technischem und finanziellem Aufwand kann man mithilfe von Samplern und Synthsizern,
die per MIDI angesteuert werden, sehr realistische Imitationen von Instrumenten hinbekommen.

(2) zwar können Computer eingegebene Noten abspielen, das Ergebnis klingt dann aber sehr mechanisch,
da es bisher kaum Programme gibt, die instrumentale Spieltechniken simulieren. Das bedeutet: ein
Instrumentalist spielt auf seinem Instrument keine Abfolge von Tönen, sondern eine Melodie, in der
jeder Ton zu den ihn umgebenden in einer dynamischen und klangfarblichen Relation steht. Ein Computer
kann das nicht: er unterscheidet nicht, ob er einen einzelnen Ton, eine Melodielinie oder einen
ganzen Akkord spielt. Evident wird das bei Ensembles: in Orchestern oder Ensembles reagieren die
Musiker mit ihren Klangfarben aufeinander: ein Geiger passt sich in ein Streichorchester ein, ein
Posaunist in eine Big-Band, etc. . Solche Klangfarbenänderungen, die zum Entstehen eines
Gesamtsounds beitragen, kann ein Computer zwar theoretisch annäherungsweise berechnen - der
Aufwand dafür wäre aber höher, als alle Musiker live ins Studio zu holen.

(3) Somit wird meistens der Weg beschritten, Musik per Keyboard in den Computer einzuspielen -
das heißt, das ein Musiker alle instrumentalen Teile eines Werkes realisiert. Der Computer
funktioniert nur als Aufnahmemedium und kann entweder MIDI-Daten (welche Taste zu welchem
Zeitpunkt gedrückt wurde) oder Audio-Daten (gesampelte Wellenformen der instrumental erzeugten
Klänge) aufnehmen. In beiden Fällen funktioniert er grundlegend wie ein herkömmliches Tonband,
auch wenn die Bearbeitungsmöglichkeiten ungleich vielfältiger sind.

(4) Zwar kann von eingespielten MIDI-Daten auch ein Notenabbild erzeugt werden, doch muß dann
sehr exakt gespielt werden, sodaß ein notensatz-technisches und ein musikalisches Einspielen
des Werkes sich gleichzeitig meistens gegenseitig ausschließen. Natürlich gibt es Notensatzprogramme,
aber diese haben ihre Berechtigung nur in der Produktion eines visuellen Ergebnisses - eines
Notenblattes. Programme zum Aufnehmen von Musik (MIDI oder Audio) können meistens auch nur
dieses gut, sind aber oft schlechte Notensatzprogramme.

(5) Zurück zur Frage: wenn Paul McCartney eine "Symphonie mit dem Computer" geschrieben hat, dann
hat er folgende Möglichkeiten gehabt:
- Generierung musikalischer Strukturen durch Kompositionsprogramme
- Archivierung und Klassifizierung eigener und computergenerierter musikalischer Strukturen
durch eine Datenbank (z.B. hilfreich für eine Katalogisierung von Themen oder eine statistische
Planung von Rhythmen)
- Aufnahme von musikalischen Strukturen als MIDI- oder Audio-Daten
- Ausprobieren vieler unterschiedlicher kompositorischer Lösungen für eine Problemstellung: z.B.
kann mit Sequenzerprogrammen die Abfolge von Formteilen sehr schnell geändert werden, bei
MIDI-Daten auch die Instrumentation
- Vorproduktion seines Werkes: eine Demo-Version kann erstellt werden, die aus grob ausgewählten
Synthesizer-Sounds, einer schnellen Abmischung und einem Überspielen auf CD oder MC besteht.
Diese Vorproduktion kann tage- oder wochenlang als Testaufnahme dienen, ob das bis dahin
gediehene künstlerische Produkt annehmbar ist, bzw. was verändert werden muß.
- Produktion von Noten, falls im weiteren Verlauf Live-Musiker zum Einsatz kommen sollen
- Endgültiges Einspielen bzw. Aufnehmen in den Computer auf ein Harddisk-Recording-System.
Dazu werden meistens zunächst alle Synthesizer vom Computer abgespielt und gleichzeitig
aufgenommen, evtl. mit einer Klick-Spur für den Dirigenten. Das ist die MIDI-Vorproduktion.
Live-Musiker (z.B. Sänger, Orchestermusiker oder Chöre) werden seperat danach direkt
als Audio-Daten auf das System aufgenommen.
- Abmischen auf Stereo, Schneiden und Mastern

Daneben kann ein Computer äußerst hilfreich bei vielen musikalischen Hilfsarbeiten sein, wie
z.B. Koordination von Terminen via e-Mail oder beim Verschicken von Demo-Produktionen als
MIDI- oder Audio-Datei. Ein Wort noch zur Klangqualität: jede Produktion klingt so gut, wie
sich die Beteiligten Mühe gegeben haben. Zudem hängt sie von der Qualität des verwendeten
Materials (Instrumente, Tontechnik, Studio) und der zur Verfügung stehenden Zeit ab. Mehrere
dieser Faktoren werden direkt durch das Budget bestimmt, und spätestens hier werden die
Grenzen erkennbar...

Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, daß die oben erwähnte Aussage in dieser Einfachheit
schlicht den Kern der Sache nicht trifft. Daher kann man auch nicht vermuten,
> ... welches Programm er verwendet hat?
da keine Aussagen darüber gemacht wurden, WAS denn nun eigentlich mit dem Computer
gemacht wurde. Trotzdem ist es so: einer der wichtigsten Programmtypen von
musikverarbeitender Software sind die Sequenzerprogramme. Diese waren ursprünglich dafür
gedacht, MIDI-Daten musikalisch zu bearbeiten - in den letzten Jahren sind aber alle
Hersteller dazu übergegangen, auch die Einbindung und die Bearbeitung von Audio-Dateien
zu ermöglichen. Solltest du Interesse an einem solchen Programm haben, sind hier auf
www.musica.at sicher mehrere Demo-Versionen erhältlich, z.B. von den führenden
Sequenzerprogrammen Cubase, Logic und Cakewalk. Lade sie dir herunter und schau' sie
dir an (bei Problemen wird dir sicher in diesem Forum weitergeholfen) - dann dürften sich
viele Fragen zu computergestützter Musikproduktion von selbst klären.

Viele Grüße,
Harald




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